Diese Pressing-Taktik verändert aktuell den Fußball

Diese Pressing-Taktik verändert aktuell den Fußball

Noch vor wenigen Jahren sah ein klassisches hohes Pressing ganz anders aus als heute. Teams stellten ihre Gegner zwar früh zu, blieben dabei aber meist in einer Zonenstruktur mit leichten Unterzahlen im Zentrum. Die Idee war, Passwege zu schließen und den Gegner zu lenken – nicht, ihn Mann gegen Mann komplett zuzustellen.

Im Jahr 2025 hat sich dieses Bild radikal verändert. Heute pressen viele Mannschaften viel aggressiver, und die meisten nutzen dabei mannorientierte Pressingstrukturen, bei denen nahezu jeder Gegenspieler direkt zugestellt wird. Was früher als zu riskant galt, ist mittlerweile Standard – sowohl in der Premier League als auch im europäischen Spitzenfußball.

Doch wie kam es zu dieser Entwicklung? Warum hat sich die Fußballwelt vom eher vorsichtigen Positionspressing hin zum kompromisslosen Angriff auf jeden Ballbesitz entwickelt?


Wie sich das Pressing verändert hat

Rund um das Jahr 2020 wurde der „Spielaufbau von hinten“ immer populärer. Teams wie Manchester City, Liverpool oder Barcelona nutzten ihre Torhüter aktiv als elften Feldspieler, um sich kontrolliert aus engen Situationen zu befreien. Das führte dazu, dass Mannschaften im Aufbau eine numerische Überzahl (11 gegen 10) hatten.

Die logische Reaktion vieler Gegner damals war: Wir lassen sie machen.
Man wollte den Gegner nicht zu früh anlaufen, um sich nicht aus der Ordnung ziehen zu lassen. Das Ziel war, den Gegner ins Mittelfeld kommen zu lassen und dort kontrolliert Druck auszuüben – das sogenannte „Mittelfeld-Pressing“.

Doch dieser Ansatz hatte ein Problem:
Je mehr Teams den Spielaufbau trainierten, desto besser wurde ihr Positionsspiel. Defensivmannschaften, die abwarteten, liefen Gefahr, vom Gegner auseinanderkombiniert zu werden.


Die Antwort: Mannorientiertes Pressing

Ab etwa 2022 begannen Teams, auf diesen Trend zu reagieren. Statt Räume zu kontrollieren, begannen sie, Spieler zu kontrollieren.
Das Ziel: den freien Mann im Aufbau komplett zu eliminieren.

Anstatt in Zonen zu stehen, stellte man jedem Gegenspieler einen direkten Gegenspieler gegenüber. So entsteht beim hohen Pressing heute häufig eine Art „Mann-gegen-Mann über den ganzen Platz“ – mit dem einzigen freien Spieler: dem Torwart.

Das hat mehrere Vorteile:

  1. Der Gegner hat keine Zeit, sich aufzudrehen oder den Ball unter Kontrolle zu bringen.

  2. Schon kleine technische Fehler führen zu gefährlichen Ballverlusten.

  3. Das Tempo im Spiel steigt, weil Ballgewinne sofort zu Torchancen führen.

Allerdings erfordert dieses System höchste Disziplin und Synchronität. Wenn nur ein Spieler zu spät reagiert, öffnet sich sofort ein Raum, den der Gegner ausnutzen kann.


So funktioniert das moderne Pressing 2025

Nehmen wir als Beispiel ein Duell zweier Teams im 4-2-3-1-System – aktuell die häufigste Grundordnung im Profifußball:

  • Der Stürmer deckt den ballführenden Innenverteidiger.

  • Der offensive Mittelfeldspieler schiebt auf den zweiten Innenverteidiger.

  • Die Flügelspieler stellen die Außenverteidiger zu.

  • Die Sechser nehmen die gegnerischen Mittelfeldspieler in Manndeckung.

Bleibt nur eine offene Frage: Wer deckt den gegnerischen Zehner?
Die Antwort: Ein Innenverteidiger rückt aggressiv heraus, verlässt also die Viererkette, um den Raum sofort zu schließen.

Dieses Herausrücken war früher eine Ausnahmesituation – heute ist es Teil des Systems. Ganze Pressinglinien verschieben dynamisch, um ständig Zugriff zu behalten.


Risiko? Ja – aber kontrolliert.

Noch 2020 hätte man ein solches System als „Harakiri“ bezeichnet. Zu groß schien das Risiko, hinter der Abwehr offen zu stehen, wenn der Gegner das Pressing überspielt.

Doch Trainer haben gelernt, diese Risiken zu kontrollieren.
Wenn ein Spieler aus der Kette herausrückt, sichert ein anderer automatisch ab. Die gesamte Formation verschiebt wie ein Block.

Zudem ist das Risiko heute geringer als früher, weil:

  • Torhüter besser am Ball sind – und unter Druck gezielt lange Bälle spielen.

  • Verteidiger schneller sind – sie können nach Ballverlusten leichter zurücksprinten.

  • Mannschaften physisch stärker und konditionell auf dieses hohe Tempo vorbereitet sind.


Beispiel: Newcastle United und Inter Mailand

Eines der besten Beispiele für das moderne Mannorientierungs-Pressing liefert Newcastle United unter Eddie Howe.
Die Mannschaft läuft hoch an, lenkt das Spiel gezielt nach außen, und zwingt den Gegner zu langen Bällen. Diese langen Bälle werden dann sofort von den Innenverteidigern abgefangen – oft entstehen daraus direkte Torchancen.

Ähnlich agiert Inter Mailand unter Simone Inzaghi. Ihr Pressing ist etwas variabler: Wird der Torwart angelaufen, übernimmt kurzzeitig ein Mittelfeldspieler die Rolle des Stürmers, bis die Formation wieder in die Manndeckung zurückfällt. Das ist aggressiv, aber gleichzeitig flexibel und gut organisiert.


Was uns dieser Wandel über den modernen Fußball verrät

Das heutige Pressing steht sinnbildlich für die Entwicklung des modernen Fußballs:
Er ist schneller, intensiver, mutiger. Trainer und Spieler gehen höhere Risiken ein, weil sie wissen, dass der Ertrag – schnelle Balleroberungen, hohe Toreffizienz – es wert ist.

Gleichzeitig sehen wir eine Gegenbewegung: mehr lange Bälle, mehr zweite Bälle, mehr 1-gegen-1-Duelle.
Weil jeder Feldspieler zugestellt wird, bleibt oft nur der lange Pass. So entsteht ein direkter, dynamischer Fußball, der zwar weniger „sauber“ wirkt – aber spannender ist als je zuvor.

Ob diese Entwicklung dauerhaft bleibt oder in ein paar Jahren wieder einer neuen Idee weicht, bleibt abzuwarten.
Klar ist: Das Pressing von heute hat den Fußball revolutioniert – und das Spiel schneller, unvorhersehbarer und spektakulärer gemacht.

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